Generationenwechsel: IT Profi 2.0 oder DAU 2.0

Obwohl ich selbst noch keine Kinder habe erzählen mir immer wieder stolze Eltern von den IT Kenntnissen ihrer Kinder. Meistens existieren dann dazu auch noch beindruckende Videos oder Fotos wie Kinder die teilweise noch nicht einmal gehen können ein iPad „perfekt“ bedienen können. Und oft fallen dann in solchen Gesprächen auch noch Sätze wie: „Also diese Generation wächst ja schon mit dem Computer und dem Internet auf, die können das nach kürzester Zeit perfekt bedienen – ich komme da mit dem Schauen gar nicht mehr nach…“

Ich will da dann meistens den Stolz der Eltern nicht schmälern, aber habe da trotzdem oft so meine Bedenken wie weit es da mit der aktuellen aber auch künftigen Expertise dieser „IT Wunderkinder“ tatsächlich ausschaut.

Vor allem in Gesprächen mit anderen IT-Leuten aber auch Lehrern bestätigt sich nämlich da immer wieder eines:

Der Großteil der aktuellen (und vermutlich auch kommenden) Generation sind was IT angeht reine Anwender. Generation: „There’s an app for that…“

Das Baby kann zwar eventuell bereits das iPad bedienen, der Volksschüler hat ein Smartphone und eine Mailadresse und der Hauptschüler bekommt mit der Einschulung sein eigens Notebook spendiert.

Wenn man dann aber (wie ich gelegentlich) wieder einmal von diesen Eltern gerufen wird um „irgendein kleines Missgeschick“ dieser vermeintlichen IT Profis zu beheben bemerkt man, dass diese oft außerhalb der vertrauten Anwendungen, Dienste und Apps so gut wie keine Ahnung haben was sie da eigentlich genau machen.

NTFS, POP3, IMAP, TCP/IP – nie gehört davon…

Wenn das Smartphone oder das Notebook nicht mehr startet oder auch einfach nur nach längerer Nutzung langsam wird dann muss es wohl kaputt sein und logischerweise ein neues her.

Ich bezweifle sehr, dass mehr als 30 % dieser Benutzer in der Lage sind (bzw. auch nur an diese Option denken) einen Computer „neu aufzusetzen“ obwohl der Vorgang dafür in den letzten Jahren extrem vereinfacht wurde.

Sehr oft entstehen Fehler die ich gesehen habe dadurch, dass diese User eigentlich genau gar nicht wissen was sie da tun und einfach einmal Systemdateien löschen oder planlos im Internet herumsurfen und Software aus dubiosen Quellen installieren. Oder der Nachwuchs möchte ein bisschen „Hacker-Luft“ schnappern und führt auf dem mehrere hundert Euro teuren Smartphone-Weihnachtsgeschenk gleich einmal einen Jailbreak durch (wenn man nachfragt warum bekommt man meist nur ein Schulterzucken…)

Bei vielen dieser Systemen wird man dann schon von geänderten Browserstartseiten und zahlreichen hilfreichen Toolbars begrüßt. Popups gehen auf und zu, der Desktop ist übersät von Dateien und Verknüpfungen zu Programmen die oft nicht beabsichtigt installiert wurden. In einer letzten „Verzweiflungstat“ wurden dann am besten gleich 10 Programme zur Entfernung von Viren, Malware, Browser-Hijackern usw. installiert und dazu natürlich die obligatorischen System-Cleaner, System-Optimizer usw. die dem ohnehin angeschlagenen System dann den Rest geben…

Mir geht es jetzt hier gar nicht darum diese Generation was die IT Nutzung angeht schlechtzureden sondern vielmehr darum, dass vor allem den Eltern und auch Lehrern bewusst wird, dass viele Kinder absolut nicht wissen was die da eigentlich klicken und drücken obwohl es manchmal danach aussieht.

Einige Sachen die ich Usern immer wieder beinahe mantraartig predige sind folgende:

Das Internet ist nicht das „Zuckerwatteland“ sondern ein gefährlicher Ort.

Bei allen Dingen die es im Internet „gratis“ gibt ist doppelte Vorsicht geboten.

Ein paar Minuten Geduld bei der Installation eines Programms und kein planloses „Weiter“ – Klicken
verhindert oft die Installation (unerwünschter) Software und ersetzt viele Stunden Fehlerbehebung.

Klingt im Internet etwas besser als erlaubt ist es meistens eine Falle.

Ich kann vermutlich gar nicht mehr aufzählen wie oft ich schon von Bekannten um Rat gefragt wurde wenn der Nachwuchs (oder auch der / die Bekannte selbst) hier in ein Fettnäpfchen getreten sind.

Die Standardantwort die wohl jeder der mit IT zu tun hat kennt:

Auf einmal ging nichts mehr, ich habe aber gar nichts gemacht.

Das Programm war auf einmal da, ich habe aber gar nichts gemacht.

Seit neuesten öffnen sich immer komische Fenster, ich habe aber gar nichts gemacht.

Mein System ist von einem Tag auf den anderen so langsam, ich habe aber nichts gemacht.

Ich habe einen Brief von einer Anwaltskanzlei bekommen, dass das ABO XY abgeschlossen wurde, ich habe aber nichts gemacht.

Fast immer haben die Fehlerbeschreibungen gemeinsam, dass der Benutzer „gar nichts gemacht hat“. 

Hinterfragt man das etwas genauer, bzw. schaut sich die zuletzt installierten Programme in der Systemsteuerung an oder durchsucht den Browserverlauf so sieht man meistens sehr schnell woher der Wind weht.

Dubiose Streamingseiten für Filme, Sport oder Pornographie, Software aus fragwürdigen Quellen, Cracks, Hacks usw. Meistens haben all diese Dinge damit zu tun, dass der Benutzer irgendwie, irgendwo Geld oder Zeit sparen wollte. Also keine Abogebühren für Sky, Netflix, Amazon Prime oder irgendeinen Musikdienst.

Bei Schülern sehr beliebt sind auch irgendwelche Abofallen bei denen vorgekaukelt wird, dass man sich kostenlose Hausaufgaben oder Referate herunterladen kann.

Ich bin selbst schon einmal auf ein sehr gut gemachtes Email hereingefallen, das so aussah als ob es von meinem Kredikartenanbieter verschickt wurde. Ich hatte selbst auch schon Probleme mit Viren, einmal mit einem Virus der *.exe Dateien unbrauchbar gemacht hat und zu einem sehr massiven Datenverlust geführt hat…

Paranoia im Internet ist vielleicht unangebracht, eine gewisse Skepsis bei bestimmten Webseiten, Diensten, Programmen usw. aber durchaus angebracht.
Ich denke, dass hier die aktuelle und auch kommende Generationen ein deutlich weniger „geschultes“ Auge für so etwas haben.
Das liegt vor allem daran, dass viele Geräte, Dienste, Software und Hardware eben mittlerweile so kinderleicht zu bedienen sind.

Ich möchte in einem zweiten Teil dieses Artikels einmal erzählen wie mein persönlicher Zugang zur IT in den 80-er und 90-er Jahren ausgesehen hat
und wie sich das aus meiner Sicht zur aktuellen Situation verändert hat…